Escona von 1933

Allgemeine Geschichte  

Der Geschichte des Fahrrades gingen sehr dunkle Zeiten voraus. Im Jahre 1815 brach der indonesische Vulkan „Tambora“ aus. Die Eruption allein tötete damals ca. 12.000 Menschen. Man schätzt, dass durch die direkten Folgen des Ausbruchs zur damaligen Zeit allein im näheren indonesischen Raum mehrere hunderttausend Menschen den Tod durch Hungersnöte oder Krankheit fanden.

Der Ausbruch hatte nicht nur lokale Folgen. Große Teile der Asche wurden in den Jetstream getragen, wodurch sie sich über den gesamten Globus verteilten. Die Verteilung wirkte sich 1816 auf das globale Klima aus. Das sogenannte Jahr ohne Sommer begann. Es wird geschätzt, dass allein der Temperaturabfall in Europa 2 Grad betragen haben könnte. Das brachte katastrophale Folgen mit sich. Es fielen zahlreiche Ernten aus, was zu einer Hungersnot führte. Wie auch in der heutigen Zeit immer wieder zu beobachten ist, führt eine Verknappung von Gütern immer zu einer enormen Preissteigerung derselbigen. Die Napoleonischen Kriege führten zu der Zeit grundlegenden Reduzierung der Pferdebestände. Hinzu kamen nun noch die steigenden Getreidepreise, welche die Menschen dazu trieb, ihre Nutztiere zu schlachten. Ob dies die Entwicklung der ersten Laufmaschine entscheidend vorantrieb, ist heutzutage umstritten. Die erste Laufmaschine, auch Draisine genannt, wurde 1817 von Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn (29. April 1785 - 10. Dezember 1851), einem aus Karlsruhe stammenden Erfinder, der Öffentlichkeit präsentiert. Die erste Laufmaschine wog ca. 22 Kg, war aus Holz gefertigt und hatte zwei gleichgroße, ebenfalls aus Holz gefertigte Räder. Eine Antriebskette oder Pedale waren an diesem Konstrukt nicht zu finden.


Mit dem Vorfahren des heutigen Fahrrades erreichte man schon bis zu 15 Stundenkilometer. Bereits zu dieser Zeit war die Laufmaschine damit ca. 4 Mal so schnell wie die Pferdepost. Dennoch setzte sich diese Art der Fortbewegung in dieser Form nicht durch. Die grundlegende Idee jedoch wurde in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt.

Der französische Mechaniker Ernest Michaux (29. August 1842 – ? 1882)  und sein Vater Pierre Michaux (25. Juni 1813 – 10. Januar 1883) entwickelten auf Basis der Laufmschine das erste Velociped, ein über Kurbel und Pedale angetriebenes Fortbewegungsmittel. Pierre Michaux, der als Wagenbauer arbeitete, soll 1861 von einem Pariser Hutmacher eine Draisine zur Reparatur bekommen haben. Sein Sohn Ernest brachte die Draisine nach Beendigung der Reparaturarbeiten an den Besitzer zurück. Der Weg war dabei so anstrengend und ermmüdend, dass er seinem Vater den Vorschlag gemacht haben soll einen Antrieb, ähnlich wie bei einem Schleifstein, welcher mittels Tretlager angetrieben wurde, an eine Draisine anzubringen. Somit war nach einigen Entwürfen die Idee des Velocipedes geboren.

Auf der  Weltausstellung im Jahre 1867 in Paris (Exposition universelle d’Art et d’industrie), stellte Pierre Michaux zwei Exemplare des Velocipedes vor und machte damit auf auf internationaler Ebene auf seine Erfindung aufmerksam.


Eine interessante Erfindung erblickte zwischen 1868 und 1869 das Licht der Welt: Das Michaux-Perreaux Dampfrad. Pierre Michaux und Louis-Guillaume Perreaux konstruierten einen eisernen Velociped-Rahmen und montierten an diesen eine 31cm³ kleine, spiritusbefeuerte Dampfmaschine, welche über zwei Schnurriemen mit dem Hinterrad verbunden waren und dieses antrieben.

Das 15 km/h schnelle Michaux-Perreaux Dampfrad gilt als Vorläufer des Motorrades.

Zurück zur Geschichte des Fahrrades.
Die Vorstellung des Velocipedes löste eine Reihe von Weiterentwicklungen aus. So präsentiere der schottische Stellmacher Thomas McCall im Jahre 1869 ein Stangen-Velociped vor, bei welchem sich die Kräfte, die beim Drehen der Kurbel über die Pedale erzeugt wurden, über ein Gestänge auf das Hinterrad auswirkten.

Im Jahre 1870 brachte der Britische Erfinder und Fabrikant James Starley (21. April 1830 - 17. Juni 1881) gemeinsam mit William Hillman das erste Hochrad mit der Modellbezeichnung “Ariel” (benannt wie die gemeinsame Firma) heraus. Diese Hochräder bestand größtenteils aus Stahl und hatte bereits Reifen aus Gummi. Der Fahrer des Hochrades saß ca. 1,5m über dem Boden und erreichte Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h. Auch Wettrennen wurden mit diesem Gefährt ausgetragen, was mitunter nicht ohne Unfälle verlief. Stürze mit dem Hochrad waren extrem gefährlich und führten mitunter zum Tod des Fahrer. Insbesondere beim Bremsen konnte es schnell zu Unfällen kommen.
Wenn auch diese Art des Fahrrades nicht besonders sicher war, gab es bereits für diese Art Fahrzeug eine Beleuchtung in Form einer Öllampe, welche sich auf der Achse des Antriebsrades befand.

Im Jahre 1881 gründete der Neffe von James Starley, John Kemp Starley (1854 - 1901), der Zuvor in der Fabrik seines Onkels arbeitete, seine eigene Firma “J.K. Starley & Sutton Co” in Coventry zusammen mit einem Gesellschafter. Da der Markt zu dieser Zeit von Konkurrenten durchsetzt war, hatte es die Firma schwer sich zu etablieren. Im Jahre 1884 brachte die Firma das “Rover Safety Bicyle” hervor und stellte es auf der Stanley Velo Show in London vor.

Dieses Fahrrad sollte schneller und sicherer sein als die zu der Zeit bekannten Hochräder.  Der Erfolg des ersten “Rover” Fahrrades blien jedoch aus und wurde auch von der Presse kleingeredet. Das Fahrrad besaß einen Kettenantrieb, welcher das Hinterrad antrieb und war zudem vom Lenker abgekoppelt worden, was die Fahrstabilität deutlich erhöhte. Kettenantriebe waren zu dem Zeitpunkt kein Novoum. Bereits 1870 erfand Andre Guilmet den Fahrradantrieb über eine Rollenkette und im Jahre 1879 baute Henry John Lawson Fahrräder mit einem Hinterradantrieb über eine Kette. Auch John Kemp Starleys Onkel produzierte 1884 “Sicherheitshochräder” unter dem Namen “Kangaroo” mit einem am Vorderrad befindlichen Kettenantrieb.


Das “Kangaroo” war ein erfolgreiches Fabrikat. John Kemp Starley wollte auch sein “Rover” vermarkten. Um die Verkaufszahlen zu steigern, wollte er mit dem Modell ein Rennen gewinnen. Radrennen waren jedoch verboten. Dennoch sollte der Fahrer George Smith, welcher bereits mit dem “Kangaroo” Rennen gewann, nun auch mit dem Rover ein Rennen bestreiten. Bei einem Rennen, welches nur stattfinden konnte, da die Polizei durch eine List an einen anderen, vermeintlichen Austragungsort gelockt wurde, gewann George Smith mit dem “Rover” und stellte hierbei sogar noch einen Weltrekord auf. Die Verkaufszahlen der Firma “J.K. Starley & Sutton Co” stiegen durch diesen Sieg rapide an. Das Fahrrad “Rover Typ II” gilt heute als Prototyp des modernen Fahrrades.

Im Jahre 1910 gründeten die Kaufleute Arno Walter Weigel und Johann Karl Georg August Speiermann einen Großhandel für Nähmaschinen, Fahrräder und Ersatzteilen. Dieser nannte sich “Speiermann, Weigel & Co.” und war in Chemnitz heimisch. Das Unternehmen fasste unter anderem die Idee Fahrräder für die breite Masse zu vertreiben, sprich besonders günstig. Im März 1924 wurde die Marke “ESWECO” angemeldet. Die Produktion von Fahrrädern war auch zu der Zeit kosteintensiv. Um Kosten einzusparen und günstigere Fahrräder anbieten zu können, verzichtete darauf alle Teile (wie z.B. Lenker) selbst zu produzieren und kaufte sie stattdessen bei anderen Fabrikanten ein. Somit entstanden die günstigen Marken “ESCO” und “ESCONA”. Wobei “günstig” eher relativ zu sehen war. 

Im Jahre 1936 kostete das Escona Chrom Markenfahrrad, Modell 105 Herrenrad 64 Reichsmark. Das entspräche nach einer Berechnung im Verhältnis von 1€ (Stand 2024) = ca. 4,5 Reichsmark (Stand 1937) und somit einem Preis in der Grundausstattung von ca. 288€. Bei einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von 82 Reichmark im Jahre 1937 war auch der Preis noch ziemlich hoch.

Unter dem Namen “ESWECO” wurden fortan nur noch teurere Fahrräder verkauft.

Das Fahrrad erfreute sich immer größerer Beliebtheit. So war es auch Menschen, wie dem Niedersächsischen Kaufmann August Stukenbrok gelungen im Jahre 1890 ein Fahrradgeschäft zu eröffnen. Seine Firma vertrieb neben ganzen Fahrrädern auch diverse Ersatz- und Zubehörteile bis einschließlich 1931. Bereits zu Beginn des 1. Weltkrieges erzielte Stukenbrok mit seinem Versandhaus einen Absatz von ca. 250.000 verkauften Fahrrädern.


Die Grundform des Fahrrades hat sich im Wesentlichen seit der Zeit kaum noch verändert. Ein robuster Rahmen, zwei Räder und ein Hinterradantrieb über ein mittig am Fahrrad angebrachtes Tretlager. Sicherheit aber auch Komfort und Effizienz gewannen einen immer größer werdenden Stellenwert. So wurde zum Beispiel die Stempelbremse mit Handbetätigung irgendwann durch eine Seitenfelgenbremse ersetzt, sowie die teils unpraktische Beleuchtung auf Basis von Brennstoffen umgerüstet auf elektrische Leuchtmittel, angetrieben über Batterien oder Dynamos. Heutzutage ist das Fahrrad aus dem Bereich der Individualmobilität nicht mehr weg zu denken.

Wie bin ich an das Fahrrad geraten?

Das Escona von 1933 mit einer Rahmengröße von 28” habe ich 2023 einem Freund abkaufen dürfen. Dieser beschäftigt sich in seiner Freizeit unter Anderem mit der Aufarbeitung von alten Fahrrädern, die er aus der ganzen Bundesrepublik auftreibt. Zu meinem Glück war er bereit mir das bereits aufgearbeitete Fahrrad nach einer ausgiebigen Probefahrt zur Ausstellung zur Historie des Fahrrades des “Altonaer Bicylce Clubs” zu einem fairen Preis zu überlassen.
Auf seiner Website hat er die bekannte persönliche Geschichte des Fahrrades bereits aufgearbeitet. 

Diese kann hier nachgelesen werden: https://oldtimerfahrrad.com/index.php/escona/

In Sachen Reparaturen kann man im gleichen Artikel nachlesen, was gemacht werden musste. Dafür, dass es sich bei dem Fahrrad aus dem Jahre 1933 um ein “billiges Rad” handelt, war es scheinbar noch in einem annehmbaren Zustand. Besonders froh bin ich, dass der originale Lack inkl. der Abziehbilder größtenteils erhalten geblieben ist. Meine eigenen Aufgaben für das Fahrrad bestehen im Wesentlichen nur noch darin einen möglichst originalen Zustand wiederherzustellen, indem ich beispielsweise einen Gepäckträger und Beleuchtung anbaue.

Der Gepäckträger stammt aus dem Jahre 1930 und ist trotz des Alters noch immer im Originalzustand und zudem Funktionsfähig. Diesen habe ich bei einem Händler in Bayern gefunden, welcher ihn mir freundlicherweise zuschickte. Selbiger Händler verfügte noch über Halterungen für Anbauleuchten aus dem 20. Jahrhunder. Da ich bereits eine Karbidlampe zu Hause liegen hatte (unrestauriert) und diese später am Fahrrad zum Einsatz bringen wollte, erwarb ich sie ebenfalls und montierte sie am Lenker. Da die Karbidlampe noch nicht einsatzbereit war, montierte ich zunächst eine Kerzenleuchte, welche ich aus dem Nachlass eines Herren aus Quickborn erwarb.

Somit ist das Fahrrad bestens gerüstet um mit nostalgischem Charme wieder auf die Straße gebracht zu werden.